Pandemie, Krieg, Unsicherheit- in Zeiten wie diesen wächst der Wunsch nach einer finanziell abgesicherten Zukunft. Doch was bedeuten Inflation und steigende Preise konkret für den Verbraucher? Und was kann man jetzt tun, um sich abzusichern? Unser heutiger Gast, der Finanzprofi Christian Zimmer, beantwortet Fragen rund um diese Themen und gibt hilfreiche Tipps.

,,Meine Tätigkeit als Finanz-Fachmann in Luxemburg hat mir gezeigt, dass viele Prozesse gar nicht so kompliziert sein müssen, wie häufig in Finanz-Büchern dargestellt. Meine Motivation besteht darin, diese Strategien einfach und praxisorientiert an die Leser weiterzugeben.”

 Christian Zimmer, Jahrgang 1979, begann seine Karriere 1998 als Auszubildender bei einer großen deutschen Bank und absolvierte anschließend ein nebenberufliches Studium zum Diplom-Bankbetriebswirt. Seit fast zwanzig Jahren ist er im Bereich Wertpapiere am Finanzplatz Luxembourg tätig, unter anderen als Teamleiter für Fund Quality Management bei einer großen deutschen Fondsgesellschaft sowie als Head of Data Management bei einem Dienstleister für Finanzdaten.

Wie betrifft mich als junger Mensch die aktuelle Inflation? 

Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal verstehen, was Inflation überhaupt ist. (Hier findet ihr eine detaillierte Erklärung zu den Begriffen Inflation und Deflation). Vereinfacht könnte man sagen, dass Inflation den Effekt beschreibt, dass Waren und Dienstleitungen schlichtweg teurer werden. Aktuell wird der Begriff hauptsächlich im Zusammenhang mit Energie und Benzin verwendet: kaum jemand, der in letzter Zeit nicht am eigenen Geldbeutel gemerkt hat, dass Heizen und Tanken extrem teuer geworden ist. Dabei ist das Phänomen der Preissteigerung keineswegs auf Erdölprodukte und Strom beschränkt, sondern betrifft ebenso viele Dinge des täglichen Bedarfs. Während bei manchen Produkten schlichtweg der Preis steigt (beispielsweise Brot, Obst und Gemüse), reduzieren die Hersteller bei anderen Produkten einfach die enthaltene Menge, und verkaufen somit weniger zum selben Preis (beispielsweise Schokolade). 

Die Folgen einer hohen Inflation sind insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen (wie beispielsweise Studenten, Berufseinsteiger, aber auch Rentner) verheerend. Da das Einkommen in der Regel nicht so stark steigt, wie die Preise für Waren und Dienstleistungen, geht mit der Zeit mehr und mehr Kaufkraft verloren. Während für Menschen mit einem hohen Einkommen eine höhere Stromrechnung oder ein höherer Benzinpreis meist kein Problem darstellt, geht eine extreme Preissteigerung für Menschen mit geringerem Einkommen langfristig meist mit spürbaren Einbußen beim Lebensstandard einher. Für viele Familien mit geringem Einkommen sind ein gemeinsamer Kinoabend oder auch ein Restaurantbesuch einfach nicht mehr machbar. In extremen Fällen verzichten die Leute sogar darauf, im Winter ihre Wohnung richtig zu heizen und müssen – aus Angst vor einer unbezahlbaren Heizrechnung – kalt sitzen. 

 
 Wie sehen langfristige Konsequenzen aus? 

Was bei einzelnen Produkten nur einige Cent ausmacht, führt auf breiter Front zu einem spürbaren Verlust des Realwertes unseres Geldes. Nehmen wir an, Du verdienst 1.500 Euro monatlich und gibst davon 1.200 Euro pro Monat aus. Bei einer angenommenen Inflation von 4% musst Du für dieselben Dinge im nächsten Jahr 1.248 Euro bezahlen, ein weiteres Jahr später wären es dann schon ca. 1.300 Euro. Obwohl du “nominal” immer noch genauso viel Geld zur Verfügung hast (1.500 Euro), ist der “reale” Wert des Geldes stark gesunken. Je länger die Inflationsphase dauert, umso größer ist die Gefahr, dass das zur Verfügung stehende Einkommen irgendwann nicht mehr ausreicht, um die notwendigen Ausgaben zu decken. Natürlich hat auch das eigene Konsumverhalten einen gewissen Einfluss darauf, wie stark ich von der Inflation betroffen bin. 

 

Gibt es Prognosen wann die Inflation abflacht und wie sehen diese aus? 

Oft flacht die Inflation wieder ab, wenn der Wirtschaftsaufschwung endet und es einen Abschwung gibt. Insbesondere in der aktuellen Situation bemerken wir jedoch, dass auch politische Ereignisse einen sehr großen Einfluss auf Preise und unsere Lebenshaltungskosten haben. Der Krieg in der Ukraine hat zu enormen Preissteigerungen bei Energieträgern (Erdöl und Gas), aber auch bei Lebensmitteln wie Weizen etc. geführt. Da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, kann einerseits ein starkes Ansteigen der Nachfrage (z.B. in Folge eines niedrigen Zinsniveaus) aber auch eine Verknappung des Angebots (z.B. Unterbrechung der Gasversorgung) zu einer Inflation führen. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren ist eine Prognose der Inflation daher sehr schwierig. Dies zeigt jedoch auch, dass es umso wichtiger ist, bereits in jungen Jahren ausreichend zu sparen und Ausgaben und Verpflichtungen von Anfang an bewusst zu planen.

 

Ab wann ist es sinnvoll mit Altersvorsorge zu beginnen? 

Je früher Du anfängst, desto besser. Durch den Zinseszinseffekt kann sich Dein Geld umso besser vermehren, je mehr Zeit Du zur Verfügung hast. Ideal ist es, bereits mit dem ersten Einkommen (auch wenn es sich dabei nur um ein Azubigehalt handelt) mit dem Sparen zu beginnen. 10% des Einkommens gelten dabei als eine gute Orientierung. Einen Extra-Kick kann man seiner Sparrate verleihen, wenn man von jeder Gehaltserhöhung einen großen Anteil spart. Hier werden 50% empfohlen. Wer beispielsweise eine Gehaltserhöhung in Höhe von netto 100 Euro erhält, sollte davon 50 Euro sparen, während er die anderen 50 Euro für den Lebensunterhalt bzw. Konsum verwenden kann. Dennoch glauben viele immer noch, dass es einfacher ist, “später” mit dem Sparen zu beginnen. Wenn man einmal mehr verdient, kann man mehr Geld sparen und somit besser fürs Alter vorsorgen. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Es ist vielmehr so, dass wir mit steigendem Einkommen auch immer mehr Geld ausgeben. Wer mehr verdient, hat meist ein schnelleres Auto, ein teureres Handy, eine größere Wohnung und isst in besseren Restaurants. Der Lebensstandard steigt kontinuierlich mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen, fürs Sparen bleibt häufig nichts mehr übrig. Wie wäre es sonst zu erklären, dass viele Großverdiener wie z.B. Sportler oder Schauspieler irgendwann pleite sind? Weiterhin ist es – gerade in jungen Jahren – wahr, dass das sprichwörtliche Kleinvieh auch Mist macht. Auch geringste Sparraten können so langfristig zu großartigen Resultaten führen. 

Die nachfolgenden Beispiele zeigen, wieviel Geld Du monatlich sparen musst, um im Alter von 65 Jahren über 100.000 Euro zu verfügen. Unterstellt sind dabei Renditen von 10% (bzw. in Klammern das Ergebnis bei 12% Rendite). 

  • Wer mit 20 Jahren anfängt, muss 11 Euro monatlich sparen (<6 Euro) 
  • Wer mit 25 Jahren anfängt, muss 18 Euro monatlich sparen (10 Euro) 
  • Wer mit 30 Jahren anfängt, muss 29 Euro monatlich sparen (18 Euro) 
  • Wer mit 40 Jahren anfängt, muss 80 Euro monatlich sparen (59 Euro) 
  • Wer mit 50 Jahren anfängt, muss 249 Euro monatlich sparen (209 Euro) 
  • Wer mit 55 Jahren anfängt, muss 496 Euro monatlich sparen (446 Euro) 

Wer statt mit 20 Jahren erst mit 40 Jahren anfängt, in der Hoffnung, dass das Sparen dann leichter fällt, muss bei 12% Rendite fast den 10-fachen Monatsbetrag aufwenden. 

Wer nur von 10% Rendite ausgeht, muss mit 50 Jahren fast das 23-fache aufwenden (249 Euro pro Monat), als wenn er “ganz klein” mit 20 Jahren angefangen hätte: dann hätten 11 Euro pro Monat ausgereicht. Bei 12% Rendite wäre der Unterschied noch gravierender: statt weniger als 6 Euro müsste er dann 209 Euro investieren. 

Diese Zahlen zeigen ganz klar, dass es sinnvoll ist, früher mit dem Investieren zu beginnen. Darüber hinaus können bei einem langfristigen Anlagezeitraum vorübergehende Turbulenzen an den Aktienmärkten einfach ausgesessen werden. Man kann den Sparplan einfach weiterlaufen lassen und abwarten, bis sich die Kurse wieder erholen. Ist man hingegen schon älter und kurz vor der Rente, können starke Kursschwankungen meine Altersvorsorge gefährden, insbesondere, wenn ich zu einem festgelegten Zeitpunkt auf mein Geld zugreifen muss. 

 
Ist zu erwarten, dass sich das Renteneintrittsalter weiter nach hinten verschiebt? 

Stand heute ist wohl davon auszugehen, dass dies so kommen wird: die Lebenserwartung steigt, sodass die Rentner tendenziell immer länger Rentenzahlungen beziehen. Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Menschen, die die dafür erforderlichen Mittel aufbringen müssen. Damit das Umlageverfahren weiterhin funktioniert, müssen Einnahmen und Ausgaben aufeinander abgestimmt werden. Auf der Einnahmeseite kann dies bedeuten, dass die Beiträge zur Rentenversicherung steigen, auf der Ausgabeseite wäre eine weitere Senkung des Rentenniveaus denkbar. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters hätte sogar Auswirkungen auf die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite: Wird das Renteneintrittsalter beispielsweise auf 70 Jahre erhöht, muss ein 69-jähriger künftig Einzahlungen in die Rentenkasse leisten, während er heute bereits Zahlungen aus dieser erhalten würde. 

 
 Jeder Mensch ist anders vom Charakter und vom Einkommen her. Welche Modelle der Altersvorsorge gibt es? Und welches Modell passt am besten zu mir? 

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Es gibt unterschiedliche Altersvorsorgeprodukte. Welches Produkt am besten passt, muss in der Tat jeder für sich selbst bestimmen. Zu bedenken ist dabei, dass insbesondere für junge Menschen eine Anlage in renditeträchtige Anlagen wichtig ist. Diese beinhalten kurzfristig zwar höhere Risiken, bieten langfristig aber auch die höchsten Renditen. Und gerade langfristig sind hohe Renditen wichtig, um ein ausreichendes Vorsorgevermögen aufzubauen. Aktien sollten daher langfristig immer im Altersvorsorgemix enthalten sein. Wer sein Geld hingegen nur in Geldwertprodukten wie Sparbriefen oder Termingeldern anlegt, wird langfristig Geld verlieren, da die Verzinsung meist nicht einmal ausreichen wird, um die Geldentwertung/Inflation auszugleichen. Weiterhin sollte man bei allen angebotenen Produkten die Kosten im Blick haben: viele Produkte sind sehr lukrativ, allerdings nur für den Vertreter, der sie verkauft, nicht jedoch für den Anleger, der sich eine gute Altersvorsorge erhofft. Auf jeden Fall sollte man sich etwas Zeit nehmen und sich über das Thema Altersvorsorge und Geldanlage informieren. Hier kann entsprechende Fachliteratur sehr hilfreich sein. Niemand sollte die Wichtigkeit des Themas “Altersvorsorge” sowie die Konsequenzen einer Fehlplanung unterschätzen. Viele Leute halten das Thema “Finanzen” für trocken und uninteressant und würden die eigene Vermögensplanung am liebsten in wenigen Minuten abwickeln oder die Verantwortung ganz an andere übertragen. Auf der anderen Seite investieren diese Menschen viele Stunden in Vergleiche, Testberichte und sonstige Analysen, um beim Kauf eines Flachbildfernsehers oder eines neuen Handys die richtige Entscheidung zu treffen. 

 

Weitere hilfreiche Tipps zum Thema Vermögensaufbau, Sparen und Altersvorsorge findest Du in Christian Zimmers Buch “Die E-S-E-L Strategie” und ,,Das große Finanz-Kochbuch” (auch erhältlich als light Version). Für Fragen oder sonstiges Feedback steht dir Christian Zimmer unter christian@finanzyogi.de gerne zur Verfügung.