Eigenheim-Klischee Nr. 1: “Ich zahle lieber an mich selbst, statt meinem Vermieter das Geld in den Rachen zu werfen!” Viele Menschen halten eine Investition in ein Eigenheim immer noch für eine sichere und wertstabile Anlage. Die Tatsache, dass man sein eigenes Haus jeden Tag erleben, betreten und fühlen kann verleitet zu der Annahme, dass es sich um eine sichere Investition handelt. Im Gegensatz dazu genießen Aktien und Wertpapiere häufig den Ruf, täglich sehr stark im Wert zu schwanken und daher sehr riskant zu sein. Hierbei ist jedoch folgendes zu beachten:

1. Wertschwankungen werden bei Immobilien nicht wahrgenommen

Anders als bei Aktien, deren Preis laufend ermittelt und im Internet veröffentlicht wird, erfolgt eine Wertermittlung bei der eigenen Immobilie normalerweise nur zu besonderen Anlässen, beispielsweise, wenn ein Verkauf ansteht oder aufgrund anderer Umstände eine Bewertung erfolgen muss. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die meisten Eigentümer ihr Haus niemals, zumindest aber nicht regelmäßig bewerten. Folglich nehmen sie eventuelle Schwankungen im Wert überhaupt nicht wahr. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass er derartige Schwankungen nicht gibt. Dies wäre in etwa so, wie wenn Du bei völliger Dunkelheit mit einem Mountain-Bike auf einer “Stock-und-Stein”-Strecke unterwegs wärst, und diese allein deshalb für sicher halten würdest, da Du Hindernisse wie Steine, Wurzeln, Bodenlöcher aufgrund der Dunkelheit nicht erkennbar wären. Tagsüber, wenn diese Hindernisse sichtbar sind, würdest Du die Strecke aufgrund der offensichtlichen Gefahren unter Umständen komplett meiden. Würde der Preis Deines Eigenheims stets in der Zeitung veröffentlicht, würden im Zeitverlauf sehr wohl deutliche Schwankungen sichtbar werden. Wenn wir nur fiktiv davon ausgehen, dass im Rahmen der COVID-19-Krise Immobilien zeitweise 10-20 Prozent Wertverlust zu verzeichnen hatten, bedeutet dies, dass der Wert eines Hauses temporär von 300.000 Euro auf 240.000 Euro gefallen wäre. Auch wenn zwischenzeitlich der alte Wert wieder erreicht wurde, bedeutet die “Unwissenheit” im Hinblick auf den Wert des Eigenheims nicht, dass es keinerlei Schwankungen gibt. Solange Du Dein Haus nicht verkaufen willst, können Dir diese Schwankungen grundsätzlich egal sein.

2. Der Unterschied zwischen “sachlichem” und “monetärem” Wert

Die Tatsache, dass man ein Haus “anfassen” kann, verstärkt die Annahme, dass es sich um ein “sicheres” Anlageobjekt handelt. Aktien oder ein Festgeld hingegen existieren nur auf dem Papier oder auf dem Bildschirm und können quasi heute oder morgen “futsch” sein. Ein Haus hingegen ist ein realer Wert. Nichts desto trotz kann der monetäre Wert eines Hauses – wie bereits oben geschildert – erheblich schwanken. So lange Du in Deinem Haus leben und wohnen möchtest, spielt der monetäre Wert keine große Rolle. Die Tatsache, dass das Haus als Sachwert existiert, dass Du aufschließen und betreten kannst, ist entscheidend. Spielst Du hingegen mit dem Gedanken, Dein Haus zu verkaufen oder bewerten zu lassen, tritt der monetäre Aspekt in den Vordergrund.

3. Wertstabilität setzt laufende Investitionen voraus

Damit der Wert einer Immobilie steigt, oder zumindest erhalten bleibt, sind laufende Investitionen erforderlich. Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen verschlingen im Laufe der Jahre eine Unsumme an Geld. Ein neues Dach, die Erneuerung der Heizung oder ein neuer Fassadenanstrich verschlingen schnell jeweils einen fünfstelligen Betrag. Die Annahme, dass Immobilien quasi automatisch im Wert steigen, ist so nicht richtig. Wer sich in diversen Immobilienportalen umsieht, wird häufig Immobilien im unteren Preissegment finden, bei denen alle möglichen Renovierungen anstehen. Dies ist nur nachvollziehbar, denn ein potenzieller Käufer wird alle anstehenden Erneuerungsmaßnehmen mit einem Preisabschlag in die Verhandlungen einbringen. Dies bestätigt ganz klar diese Aussage, das ein Werterhalt nur dann erzielt werden kann, wenn die Immobilie durch laufende Investitionen in einem guten Zustand und auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten wird.

4. Die Wertentwicklung ist hauptsächlich abhängig von der Lage

Über die letzten Jahrzehnte haben deutsche Wohnimmobilien eine Wertentwicklung erzielt, die nur knapp über der allgemeinen Inflationsrate liegt. Insbesondere im Hinblick auf die Preisentwicklung von Immobilen halte ich es jedoch nicht für zielführend, von Durchschnittswerten auszugehen. Jede Immobilie gibt es genau ein einziges Mal und es ist kaum möglich, zwei Immobilien – anders als zwei Aktien einer Gattung – miteinander zu vergleichen. Ein Haus in Görlitz ist nicht vergleichbar mit einem Haus in München, eine Wohnung im ländlichen Hunsrück nicht vergleichbar mit einer Wohnung in der Trierer Innenstadt. Aber auch in ein und derselben Stadt kann die Lage einen enormen Einfluss auf den Wert und die Werthaltigkeit einer Immobilie haben. Eine Eigentumswohnung in einem Nobelviertel mit Blick auf einen Park wird einen viel höhere Wert erzielen als eine baugleiche Wohnung, die sich nur einige hundert Meter entfernt zwischen einer Autobahn und einer Bahntrasse ein einem sozial eher schwachen Umfeld befindet. Hinzu kommen weitere Ausstattungsmerkmale wie Garagen, Balkone, Größe sowie der allgemeine Zustand. Da die meisten von uns nur eine, maximal zwei Wohnimmobilien in ihrem Leben erwerben, ist die Fokussierung auf Durchschnitte nicht zielführend. In diesem Zusammenhang denke ich immer an das Beispiel mit einem Bus, in dem sich 50 Durchschnittsmenschen befinden. Steigt nun an der nächsten Haltestelle Bill Gates ein, so befinden sich plötzlich 51 Milliardäre im Bus – im Durschnitt -. Die Tatsache, dass ein einziger Mensch für dafür verantwortlich ist, geht aus dem Durchschnittswert nicht hervor. So verhält es sich auch bei Immobilien: während Immobilien in deutschen Großstädten oft starke Preiszuwächse verzeichnen konnten, hatten ländliche Gebiete sowie Städte, die stark vom Strukturwandel betroffen waren, mit stagnierenden Preisen, teilweise gar mit einen Preisverfall zu kämpfen. Eine einheitliche Rendite. die ausnahmslos für alle Wohnimmobilien in Deutschland angesetzt werden kann, gibt es folglich nicht. Daher solltest Du Dich auch nicht zu der Annahme verleiten lassen, mit irgendwelchen fiktiven Wertentwicklungen zu rechnen, die für Deine individuelle Immobilie unter Umständen überhaupt nicht zutreffen.

Zusammenfassung:

Die eigene Immobilie ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Dies gilt ebenso uneingeschränkt für den aktuellen Wert sowie die langfristige Wertentwicklung. Durchschnittswerte sind mit Vorsicht zu genießen, außerdem täuscht die Intransparenz des regionalen Marktes oft eine Scheinsicherheit vor, die es so nicht gibt. Dass eine Immobilie darüber hinaus laufend werterhaltende Investitionen erfordert, kommt noch hinzu. Detaillierte Informationen zum Thema “Renovierungen” findest Du in unserem Blogartikel “Eigenheim-Klischee Nr. 2: “Wenn mein Baukredit zurückgezahlt ist, wohne ich für den Rest meines Lebens mietfrei!”” sowie in unserem neuen Immobilienratgeber “Vermögensfalle Eigenheim?”.

 

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