Der Börsenstart ist ein Thema, dem viele Leser nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. Die ersten Schritte an der Börse sind ungewohnt und natürlich wackelig. Selbst Großmeister Buffet ist nicht vom Himmel gefallen. Doch sollte man als Einsteiger an der Börse ganz besonders beachten? Diesem Thema widmen wir uns im Rahmen der #Blogparade zum diesjährigen Comdirect Finanzblogaward.
Informieren statt handeln: Börse verstehen (Tipp 1)
Zu Beginn deiner Anleger-Karriere solltest Du Dir ausreichend Zeit lassen, um mit dem Thema Geldanlage und Investment vertraut zu werden. Es handelt sich hier um ein sehr komplexes Thema, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Und alle diese Faktoren haben einen Einfluss auf deinen langfristigen Anlageerfolg.
Die Funktionsweise der Finanzmärkte
Märkte, insbesondere die Aktienmärkte, haben ein Eigenleben, das manchmal nur als chaotisch bezeichnet werden kann. Es gibt Phasen, da steigen die Aktienkurse, obwohl es dafür scheinbar keinen rational erklärbaren Grund gibt. In anderen wiederum brechen die Aktienmärkte zusammen und Qualitätsaktien werden zu Schleuderpreisen verkauft. Häufig ist für uns Anleger kein Grund erkennbar, der dieses Phänomen erklären kann. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass sich die Aktienkurse zwar langfristig nach oben bewegen, in ihrer täglichen Entwicklung jedoch einem „Random Walk“ (=Zufalls-Lauf) folgen. Das heißt: Niemand ist in der Lage, kurzfristige Entwicklungen vorherzusehen – auch Profis nicht!
Einflussfaktoren auf das Unternehmen
Neben den Einflussfaktoren, die den gesamten Aktienmarkt betreffen, gibt es natürlich auch unternehmensspezifische Faktoren. So können veränderte Gewinnaussichten aufgrund von Marktveränderungen oder neue Konkurrenten bzw. Konkurrenzprodukten einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung eines Aktienkurses haben. Natürlich kannst Du all diese Faktoren nicht vorhersehen. Aber wenn Du in Einzelaktien investieren möchtest, so solltest Du dennoch das Geschäftsmodell und das Produkt Deines Unternehmens verstehen. Wenn Du an „Coca-Cola“ denkst, so weißt Du, dass das Unternehmen Softdrinks herstellt, bei denen die Verpackung teurer ist, als das Produkt selbst. Die Waren werden weltweit unter vielen verschiedenen Marken vertrieben und theoretisch kommt jeder Mensch als Kunde in Betracht. Die Menschen werden wohl auch in Zukunft Getränke zu sich nehmen müssen. Das Geschäftsmodell ist relativ einfach und auch für Laien verständlich. Anders verhält es sich z.B. bei hochspezialisierten IT-Unternehmen, deren Produkte nur Profis verstehen und deren Potenzial und Zukunftsaussichten für Laien schlichtweg nicht zu beurteilen sind. Wenn Du verstehst, was „Dein“ Unternehmen verkauft, wirst Du Dich wahrscheinlich wohler fühlen, als wenn Du keinen Plan hast, in was Du Dein Geld investiert hast.
Die Theorie der effizienten Märkte
Hier sollte man auch die Theorie der „effizienten Märkte“ immer im Hinterkopf behalten: Diese sagt schlichtweg, dass der Aktienkurs eines Unternehmens stets den in diesem Moment vom Markt angemessenen Preis für das Unternehmen darstellt. Alle bekannten Informationen sind bereits eingepreist, sprich: im Kurs berücksichtigt. Es erscheint daher wenig aussichtslos, durch eine detaillierte Unternehmensanalyse eine höhere Rendite zu erzielen als der Markt. Dies gilt insbesondere für heiße Insider-Tipps. Wäre die Aktie mehr wert, würde sie auch heute schon mehr kosten. So einfach ist das.
Es kann hier durchaus hilfreich sein, sich eine sogenannte “Watchlist” interessanter Unternehmen anzulegen und die Aktienkursentwicklung über einen längeren Zeitraum zu verfolgen.
Die Risikoneigung des Anlegers
Eine Watchlist gibt auch Aufschlüsse darüber, wie volatil die Aktie ist, sprich: wie stark sie schwankt. Dies ist wichtig, um deine Auswahl auch in Bezug auf deine Risikoneigung sowie deine Risikobereitschaft abzustimmen. Manche Aktien schwanken tendenziell stärker, andere bewegen sich weniger und der Kursverlauf ist konstanter.
Bitte bedenke jedoch, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob Du z.B. mit einem „Virtuellen Depot“ beginnst, in das Du fiktive Geldbeträge investierst, oder ob Du tatsächlich von Anfang an Dein sauer verdientes Geld an die Finanzmärkte bringen willst. Wenn Dein Virtuelles Depot einen aktuellen Verlust von 500 EURO anzeigt, ist das nicht weiter schlimm. Schließlich ist es fiktives „Spielgeld“ und Du gewinnst wertvolle Erfahrung. Viele Anleger sind dann ohne Probleme in der Lage, die Kursschwäche zum Nachkaufen und „Verbilligen“ zu nutzen. Ganz anders sieht dies jedoch häufig aus, wenn bei einem Buchverlust von 500 EURO weiteres reales Geld nachinvestiert werden soll. Dann kommen häufig Emotionen wie Angst mit ins Spiel, die dem rationalen Handeln entgegenwirken.
Die Zielsetzung des Anlegers
Auch die Zielsetzung Deines Handelns gehört hier mit dazu. Du musst Dir darüber klarwerden, aus welchem Grund und mit welcher Zielsetzung Du Geld anlegen möchtest. Geht es um langfristigen, soliden Vermögensaufbau, oder um kurzfristige Spekulation. Bist Du bereit, für eine höhere Rendite auch ein höheres Risiko in Kauf zu nehmen, oder bist Du eher der Sicherheitstyp?
Alles in allem geht es zu Beginn darum, 99 Prozent der Zeit zu nutzen, um Dich zu informieren und nur mit einem Prozent der Zeit zu handeln. Denn am Ende des Tages kann Dich nur ausreichendes Wissen davor bewahren, in die typischen Anfängerfallen zu tappen und dann der Geldanlage frustriert für immer den Rücken zu kehren.
Streuen statt konzentrieren: Diversifikation (Tipp 2)
Man kann nicht oft genug erwähnen, wie wichtig eine ausreichende Streuung ist. Streuung bedeutet einfach gesagt, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Auch wenn Du von einem Unternehmen noch so überzeugt bist und es für DIE Gelegenheit schlechthin erachtest, darfst Du nie den Fehler machen, Dein ganzes Geld nur in diese Aktie zu investieren. Du bist schlichtweg zu weit vom Unternehmen entfernt und nicht in der Lage, lediglich auf Basis der im Internet allgemein zugänglichen Informationen einen „Highflyer“ identifizieren zu können. Es gibt viele Akteure im Markt, die einen viel tieferen Einblick in die Materie und viel mehr Informationen zur Verfügung haben. Warum solltest ausgerechnet Du in der Lage sein, den neuen Superstar unter den Aktien vorherzusagen?
Streuung muss auf vielen Ebenen stattfinden:
- Anlageklasse: nicht nur Aktien, auch Immobilien, Anleihen und Rohstoffe gehören ins Portfolio
- Region: nicht nur deutsche Aktien, da Du diese „besser kennst“, sondern eine breite internationale Streuung ist wichtig
- Branche: da sich die verschiedenen Branchen teilweise sehr unterschiedlich entwickeln, ist eine Streuung über mehrere Branchen unabdingbar
- Größe: Große Unternehmen bieten ein anderes Chance-/Risikoprofil als kleine Unternehmen, weshalb auch hier eine Streuung sinnvoll ist
Am einfachsten lässt sich eine breite Streuung über ETFs, also passive Indexfonds darstellen. Hier partizipierst Du an Aktien unterschiedlichster Regionen und Branchen und kannst das Regionen-/Branchen- sowie das Einzelwertrisiko vollständig eliminieren. Für den Anfang würde ich Dir immer ETFs empfehlen. So kannst Du erste Erfahrungen sammeln und Deine eigene Reaktion auf die normalen Marktschwankungen testen, bevor Du in risikoreichere Einzelaktien investiert.
Warten statt Handeln: Geduld (Tipp 3)
Geldanlage ist eine langfristige Angelegenheit. Der Zinseszinseffekt wirkt umso stärker, je mehr Zeit man verstreichen lässt. Jede Transaktion verursacht Kosten und u.U. Steuern. Daher ist es am klügsten und effizientesten, wenn Du Dich nach getätigter Geldanlage entspannt zurücklehnst und abwartest. Dies gilt sowohl für Sparpläne als auch für Einmalanlagen. Außer einer regelmäßigen Überwachung solltest Du möglichst wenig eingreifen. Vor allem solltest Du Dich nicht von kurzfristige Schwankungen und neuen Trends und Modeerscheinungen beunruhigen und zu unüberlegtem und spontanem Handeln verleiten lassen. Vertraue auf die Märkte und darauf, dass die Aktienkurse langfristig steigen. Treffe Deine Entscheidung, vertraue darauf und bleib dabei.
Solange Du diese Grundsätze beachtest, wirst Du hoffentlich nicht nur gute Renditen erzielen können, sondern vermeidest es zugleich, Dich zum Sklaven Deiner Anlage zu machen. Denn emotionale Bindung an die Geldanlage ist unbedingt zu vermeiden. Wer auf das Geld angewiesen ist, das investiert wird, geht das hohe Risiko ein, einen Teil zu verlieren. Es gibt wohl kaum einen Bereich, in dem das Prinzip „Abwarten“ und „wenig Handeln“ so erfolgversprechend ist, wie bei der Geldanlage. Wer langfristig geduldig bleibt, der wird belohnt werden. Die Asset Price Inflation lässt grüßen!